Professor Johann Daniel Major

Eine der schillerndsten Gestalten an der jungen Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ist Professor Johann Daniel Major.

Der Medizinprofessor droht 1675 dem Rektor mit Handgreiflichkeiten. Mit den Kollegen Morhof und Hannemann steht er auf schlechtem Fuß. Er verfolgt seinen Kollegen Pechlin mit so unnachgiebigem Hass, dass dieser resigniert das Feld räumt. Streitbar, ja streitlustig und argwöhnisch tritt uns der auffahrende Mann mit der üppigen Lockenperücke entgegen. Der blasierte Blick mag kaschieren, dass Major mit seinen Studenten im Botanischen Garten zwischen Anemonen, Krokussen, Hyazinthen, Ranunkeln und Nutzpflanzen oft 12 bis 14 Stunden grobe Arbeiten verrichtet.


Johann Daniel Major, Professor. Kupferstich.
© Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek.

Im Juni 1676 ist Major 42 Jahre alt, verfeindet mit vielen Kollegen, respektiert bei Hofe, befreundet mit sehr wenigen. Zu diesen zählt Professor Reyher. Majors Feinde dürften es zu dieser Zeit nicht leicht haben, denn Major übt soeben das Amt des Prorektors aus (Rektor ist ja der Herzog, aber er ist erstens fast nie in Kiel und zweitens derzeit vor seinem dänischen Widersacher ins Hamburger Exil geflüchtet). Als Projektor dürfte es Major obliegen, im Geleitzug anlässlich der Hinrichtung am 30.6.1676 einen der vordersten Plätze einzunehmen.

In medizinischen Fragen beansprucht Professor Major Autorität und Aufsicht über Rats- und Hofapotheke, über Barbiere (also praktische Mediziner und Chirurgen wie Joachim Köpke) und fahrende Leute (Quacksalber). Ob ihm ohnehin jene Frauen ein Dorn im Auge sind, die sich ein Zubrot verdienen mit Wicken, Raten und Böten, mit all dem nicht-wissenschaftlichen Wissen? Welches Wissen als Wissenschaft Autorität genießt, ist immer auch eine Frage der Macht.

Major beschert Norddeutschland die erste Sektion. Als 1666 ein Mörder enthauptet wird, verwertet Major dessen Leiche für eine publikumswirksame anatomische Veranstaltung. Bei einer Hexenverbrennung kommt das naturgemäß nicht in Betracht. Meistens liegen Tiere auf Majors Sektionstisch: mal ein Delfin, mal ein Seehund.

Ohnedies sind Meerestiere für den Mediziner Major ein Steckenpferd. 1675 erscheint in Kiel sein zoologisches Werk „Opusculum de Purpura“ über bestimmte Meeresschneckenarten, aus deren Drüsen der begehrte Farbstoff Purpur (der bis heute teuerste Farbstoff) gewonnen werden kann. Aber auch über die Milch des Mondes, über Klystiere, über den Nabel des Meeres oder über „Curieuse Taschenspielerkünste“ forscht und veröffentlicht der ausschweifende Wissenschaftler Major.

Majors Tendenz zum geistigen Höhenflug zeigt sich nicht nur in seiner Annahme, das Fliegen sei für Menschen durchaus „practicabel“. In seinem Buch „Seefahrth nach der neuen Welt ohne Schiff und Segel“ sieht Major „fliegende Kriegsheere“ aufsteigen. Zugleich ist er ein bodenständiger Sammler und Sortierer von Wissen. Im Botanischen Garten der Universität sammelt er Pflanzen und kategorisiert sie mit einem System von 100 Merkmalen. Major pflegt außerdem wegen der Gottorfischen Kunstkammer, diesem Raritätenkabinett alles Fremdartigen, Kontakt mit dessen Leiter Adam Olearius und empfiehlt sich mutmaßlich nach dessen Tod 1671 um dessen Nachfolge. Als daraus nichts wird, stellt Major in Kiel seine Funde selbst aus. Aber seine Privatwohnung ist zu klein. Er zieht um, in die Flämische Straße, zwei Häuser neben jenes Haus, in dem die Hexe Trinke Preetzen wohnhaft war. Und was für ein seltsamer Zufall: Majors Schwiegersohn, Professor Huldericus Waldschmidt, wird just ins Haus der verruchten Hexe einziehen. Die Gründe sind nicht aktenkundig. Ebensowenig eine Begegnung Majors mit Anje Preetzen.