Christian-Albrechts-Universität

Im Jahr 2015 feiert die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel ihr 350. Jubiläum. Dass die Universität auch bei Hexenprozessen ein Wort mitzureden hatte, beschreibt Eugen Wohlhaupter in seiner Schrift „Die Spruchtätigkeit der Kieler juristischen Fakultät von 1665-1879“. Die Spruchakten setzen erst 1683 ein, doch wurde die juristische Fakultät schon früher hinzugezogen, um Gutachten abzugeben. Die Empfehlungen galten als verbindlich.


Siegel auf der Schatulle der Gründungsurkunde der Universität Kiel.
Bildnr. HK00217. Foto & ©: Uni Kiel.

Die Universität ist in ihren frühen Jahren in den Räumen des verwaisten Franziskanerklosters untergebracht. Das Gelände erstreckt sich zwischen Klosterkirche (heute Theologisches Studienhaus Kieler Kloster) und Kleinem Kiel auf einem Gelände mit langgestreckten Bauten, Refektorium, Brunnen und Gartengelände. Nach Reformation und Auflösung des Franziskanerordens wurden einige Gebäude zwischenzeitlich als Stallungen genutzt – zum olfaktorischen Leide der ersten Professoren.

Die Kieler Akademie ist eine aufstrebende Landesuniversität, jung und fortschrittlich. Erst elf Jahre zuvor, 1665, erfolgte die feierliche und musikalische „Inauguratio“ – das wahrscheinlich prunkvollste Ereignis Kiels im 17. Jahrhundert. Die Akademie trägt den Namen ihres Stifters und Landesherrn, des Herzogs Christian-Albrecht, obwohl er alles andere als eine Geistesgröße ist und lediglich die fertigen Pläne seines verstorbenen Vaters Herzog Friedrich III. ausführt. Die junge Akademie ist stolz und genießt – nicht nur hinsichtlich Steuern und Bezug von Bier – eine Sonderstellung in der Stadt. Die Professoren sind auf ihren Ruf bedacht, nicht zuletzt bei festlichen Prozessionen, in denen sich am Prozessionszug die soziale Rangfolge wiederspiegelt.

Die Professoren müssen zu Rechtsgutachten in Strafsachen bzw. Fällen von Hexerei nicht genötigt werden. Sie bessern damit das eigene Gehalt auf. Beteiligt sind Juristen wie Erich Mauritius (Moritz), Samuel Rachel(ius), Simon Heinrich Sannemann und Heinrich Michaelis. In den juristischen Gutachten in Straf- bzw. Hexenprozessen achten die Professoren insbesondere auf Akkuratesse bei der Anwendung der Strafprozessordnung. Sie erhob beispielsweise 1668 im Prozess gegen Teke Busch Einspruch gegen die Verwendung der im Beichtgeheimnis geschützten Aussagen der Beklagten und nötigte das Gericht, den Prozess neu aufzurollen (freilich mit dem gleichen Ergebnis: Verbrennung). Die Professoren achten auch auf ordnungsgemäße, also rechtskonforme Anwendung der Folter und konkreten Vorschlägen zur Durchführung der Hinrichtung bzw. Verbrennung. Insgesamt hat das Kieler Spruchkollegium mäßigenden Einfluss und rät zu milderen Tötungsformen. Die Existenz von Hexen bezweifelt die Akademie zu dieser Zeit grundsätzlich nicht.

Namentlich Erich Mauritius hat zahlreiche Gutachten hinterlassen. In Kiel wirkte er 1665-1671. In einem Segeberger Hexenfall von 1668, bei der auch ein 14-jähriges Mädchen in Verdacht geriet, Schülerin der hexerischen Mutter zu sein, empfahl Mauritius, das Mädchen ohne sonderliches Urteil mit seiner Mutter auf die Richtstatt zu führen. Nachdem es seine Mutter habe hinrichten und verbrennen sehen, möge es gezüchtigt und in die Obhut eines Geistlichen gegeben werden. Der Film spekuliert, dass mit Anje Preetzen ähnlich verfahren wurde.

Insofern wäre es töricht, bei einer Aufarbeitung des Hexenfalles von 1676 die Universität nur deshalb aus dem Spiel zu lassen, weil sie in den Quellen zu diesem Fall nicht auftaucht. Die Kieler Geisteselite steht innerhalb Kiels nicht abseits im Elfenbeinturm. Schnell werden eheliche Bande mit der Kieler Geistlichkeit und Obrigkeit geknüpft. Wer sich in Kiel einen Namen machen will, studiert hier, zum Beispiel auch Kiels berühmtester Bürgermeister Asmus Bremer. 1676 hat er gerade sein Jura-Studium abgeschlossen.

In diesem Zusammenhang lohnt ein Blick in die Vorlesungsverzeichnisse und Schriften. Professor Heinrich Michaelis, inzwischen aus Kiel verzogen, lässt 1676 in Lübeck das juristische Traktat „De Inquisitione Criminum“ drucken. Professor Samuel Rachel hält im Sommersemester 1675 eine Vorlesung über Inquisitions- und Anklageprozess. Ein Jahr zuvor hielt Professor Magnus Wedderkopp (freilich in Latein, aber das wurde vorausgesetzt) eine Vorlesung über Vernehmung und Tortur.

Die Kieler Universität versteht sich als das strahlende geistige Zentrum des Landes. Sie ermisst den Wissens- und Wahrnehmungshorizont der Zeit. Hier lässt sich nachvollziehen, wohin die Blicke drängen: in die Leiber der Toten im Seziersaal, durch das Mikroskop auf bisher den Blicken entzogenen Kleinstlebewesen. Das Dunkel wird erhellt, aber das Licht ist oft recht grell: Wer sich an die Existenz von Dämonen gewöhnt hat, mag geneigt sein, unter dem Mikroskop endlich zu erspähen, was er so lange suchte.

Die akademische Arbeit verrichtet ein experimentierfreudiger Lehrkörper, der an seinem Glauben an die Allgemeingültigkeit der Bibel nicht rütteln mag und dennoch neugierig ist auf alles Fremde und Entfernte. Noch relativ bieder sind die Ergebnisse Professor Wasmuths, der aus der Bibel das Datum der Sintflut und den Zeitpunkt der Erschaffung der Welt errechnet. Aber nichts ist abseitig genug. Die „Verwandlung der Frau des Lot zur Salzsäule“ lautet eine physikalische Untersuchung des Naturwissenschaftlers Caeso Gramm. Kollege Joh. Ludwig Hannemann sieht in den Planeten Mars, Venus und Merkur Werkzeuge des Weltgeists. Daniel Georg Morhof, der weitgerühmte Polyhistor, erwirbt Ruhm mit seiner Schrift über das Zersingen von Gläsern (1673). Der Mediziner Günter Christoph Schelhammer kennt bereits Mikroskope, glaubt zugleich fest an das Wirken von Dämonen – 1676 ist er allerdings noch nicht in Kiel, sondern befindet sich auf Studienreisen in Italien.
Zwei der schillerndsten Professoren lässt der Film selbst zu Wort kommen. Es handelt sich um Samuel Reyher und Johann Daniel Major. Ihnen sind eigene Kapitel gewidmet.

Literatur: Carl Rodenberg, Volquart Pauls: Die Anfänge der Christian-Albrechts-Universität Kiel. Neumünster 1955.