Büttelei

Die sogenannte Büttelei befindet sich am Ortsrand Kiels im sogenannten Hassturm am Kleinen Kiel (heute: Ecke Haßstraße/Jensendamm; der Name „Haßstraße“ rührt vom alten Wort für „Hirsch“ her). Dieser Turm birgt das zweite Gefängnis in Kiel. Es ist stärker gesichert als die Veste. Im oberen Stockwerk der Büttelei werden Schwerverbrecher verwahrt. Im Jahr 1676 sind das unter anderem Trinke Preetzens und Hinrich Busch, denn Hexerei zählt zu den schwersten Verbrechen, schwerer als Mord. Zur Verfügung stehen zahlreiche Gefängnisse auf verschiedenen Etagen. Einer der Räume im Erdgeschoss ist als Folterkammer ausgestattet. Im Grundriss ist eine Herdstelle verzeichnet, ebenso ein Pfahl mit Kette und Krampe.

In der Büttelei wohnt der sogenannte Büttel, auch genannt Frohn (1676 ist das Paul Möller). Er wohnt mit seiner Familie im Erdgeschoss in einem Wohntrakt, dessen Räume sich wie ein Mantel rund um den Gefängnisturm legen. Das Grundstück verfügt außerdem über einen Garten.


Büttelei 1855. Grundriss. Aus: Walter Wendrich:
Die alte Kieler Stadtmauer. Mitteilungen der
Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Nr. 47, Kiel 1955.

Eine präzise – und eindringliche – Beschreibung des Gebäudes und seiner Zellen liefert Augenzeuge Walter Wendrich nach einer Begehung kurz vor dem Abriss 1855:
„Eine Reihe kleinerer Gemächer laufen ringsherum und schauen mit ihren niedrigen Fenstern theils die Haßstraße hinauf, teils auf den kleinen Kiel. Dies war die Wohnung des früheren Scharfrichters; sie bildet gewissermaßen den Mantel um die Hauptsache, nämlich um den alten Turm, das eigentliche Gefängnis. (…) Eine schwere eisenbeschlagene Tür von Eichenbohlen führt gleich links in das Hauptgewölbe, durch eine Brandmauer von 5 Fuß Dicke. Kein Fenster, nicht das geringste Luftloch nach außen lässt auch nur einen Strahl des Lichts zu; nur durch das sehr kleine Eisengitter in besagter Eichentür ist eine Idee von Luftzug nach der dunklen Diele hin möglich. Schwarz und feucht ringsumher alles. In der Mitte des Gemachs steht ein starker Eichenpfahl vom Fußboden bis zur Decke hinauf. In demselben hängt der Rest einer Kette, deren einzelne Gelenke wohl über ein Pfund schwer wiegen mögen, stark genug, einen Elefanten zu fesseln. Eine große eiserne Krampe, welche in einer Höhe von ungefähr 7 bis 8 Fuß angebracht ist, zeigt deutlich die frühere Bestimmung dieses schrecklichen Pfahls.
Es ist nämlich dieser Pfahl, an welchen noch im Anfange dieses Jahrhunderts diejenigen Verbrecher, welche die entehrende Strafe des Staupbesens und des Brandmarkens durch Henkers Hand erleiden sollten, an Händen und Füßen festgekettet wurden. Kaum drei Schritte davon befindet sich noch der Herd, auf welchem man das grässliche Eisen glühend machte, um es seinem verirrten Mitbruder christlich-milde auf Stirn oder Nacken einzubrennen und dadurch das Ebenbild Gottes tief, tief unter das Thier herabzuwürdigen. In noch früherer Zeit war hier die sogenannte Marterkammer. (…)
Eine kleine Treppe aufwärts führt in die Region des ersten Stocks. (…) Hier treten wir in ein Gefängnis, welches für leichtere Verbrecher oder für in Untersuchungshaft Befindliche scheint bestimmt gewesen zu sein. Der Rest einer schweren Eisenkette in der Mitte dieses Käfigs befestigt, zeigt, dass auch hier eben keine milde Hand des Gesetzes waltete. Ein kleines Fenster wirft durch die 5 Fuß dicke Brandmauer ein kümmerliches Licht in die Zelle und zeigt uns die in die Mauer eingegrabenen Namen einiger der ehemaligen unglücklichen Bewohner derselben. (…) Steigen wir jetzt noch eine Treppe hinan, so gelangen wir auf einen kleinen dunklen Vorplatz. Nur mit Mühe finden wir durch Hülfe unseres Lichts hier eine dicke, mit Eisen beschlagene Tür, die etwa 4 Fuß hoch und 1,5 Fuß breit ist und in die dritte Zelle – das schauerlichste aller Gefängnisse – führt. Ein Loch von kaum 6 Fuß Höhe, Breite und Tiefe, dem der Zugang der Luft und des Lichts total abgeschnitten ist, starrt uns unheimlich entgegen. Hat man sich mit Mühe durch den engen Eingang hindurch gezwängt, tritt man sogleich auf das verfaulte Stroh, worauf wohl der letzte Unglückliche gelegen hat, bis er dem Beile des Nachrichters übergeben wurde. Außerdem findet man noch einige vermoderte Bretter, die ihm als Pritsche dienten, mehrere Tonscherben und die Reste schwerer Ketten. Das Atmen wird uns nach einigen Minuten schon schwer und selbst das Talglicht in unserer Hand ist vor Dunst dem Erlöschen nahe.“
Quelle: Walter Wendrich, Die alte Kieler Stadtmauer. Mitteilungen der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte Nr. 47, Kiel 1955.

Nachbemerkung: Die Grundrisse der Büttelei bei Wendrich sind nicht in allen Details identisch mit den Plänen, die das Landesamt für Denkmalpflege verwahrt.