Paul Möller und sein Stiefsohn Christian-Albrecht Pickel

Es gibt viele Berufsbezeichnungen für Menschen, die auf Weisung der Obrigkeit andere Menschen foltern und hinrichten. Den Folternden nannte man in Kiel „Frohn“ und „Büttel“. Den urteilsvollstreckenden Scharfrichter wiederum nannte man „Nachrichter“. Frohn/Büttel und Nachrichten waren zwei verschiedene Berufe, wahrscheinlich aber wurden beide zu dieser Zeit von derselben Person ausgeübt.


Folterung durch Strecken. Holzschnitt aus: Damhoudere:
Praxis rerum criminalium. Antwerpen 1554.

Im Kiel des Jahres 1676 heißt der Frohn/Büttel/Nachrichter Paul Möller. Er ist zuständig für die Büttelei, das Gefängnis für Schwerverbrecher im Hassturm, wo Trinke Preetzen den Großteil ihrer zwei Monate währenden Haftzeit verbringt. Auch Hinrich Busch wird dort inhaftiert gewesen sein. Möller hat wahrscheinlich alle Aufgaben zu erledigen: die Gefangenen zu versorgen, zu foltern und hinzurichten.

Möllers Familie lebt ebenfalls im Hassturm, und zwar in einer Wohnung im Erdgeschoss, deren Räume sich wie ein Mantel um den inneren Trakt mit den Gefängnissen legen. Auf einem Grundriss-Plan, archiviert im Landesamt für Denkmalpflege, kann man auch die Abdeckerei mit dem angrenzenden „Frohner-Garten“ gut erkennen. Schließlich ist das tägliche Brot nicht allein von Gefangenen zu bestreiten – nicht alle Tage sitzen welche ein. In den Zuständigkeitsbereich des Frohns fällt wohl auch die Abdeckerei und die Reinigung des Marktplatzes nach Markttagen. Seine sozialen Kontakte werden gering gewesen sein. Man meidet den Mann, der auf der Schwelle des Todes seinen Lebensunterhalt verdient. An seinen Händen klebt zu viel Blut.

Möller hat einige Jahre zuvor in die berühmte Kieler Scharfrichter-Familie Pickel eingeheiratet, die über viele Generationen – etwa zwischen 1630 und 1829 – das Amt ausübt. Im fraglichen Zeitraum weist die Erbfolge allerdings eine Lücke auf, da Christian-Albrecht Pickel 1667 noch ein Kind ist, als sein Vater stirbt. Witwe Catharina Pickel ehelicht Paul Möller, der das Scharfrichter-Amt bis zu seinem Tod 1689 ausübte. Bei dessen Ableben ist Christian-Albrecht Pickel 24 Jahre alt und übernimmt das ruchbare – eben nach Tod riechende – Amt. Im Jahr 1676 dürfte er 11 Jahre alt sein. Eine Begegnung mit Anje Preetzen ist historisch nicht belegbar.

Literatur: Johann Grönhoff: Litzenbrüder, Prachervögte und andere vergessene Berufe im alten Kiel. o.J.