Matthias Burchard, Archidiacon. Diptychon. St. Jürgen Kirche Kiel. Öl auf Holz 1668.
Foto 1966. © Landesamt für Denkmalpflege Schleswig-Holstein.
Matthias Burchard wäre ein in Hexensachen erfahrener – und „verdienter“ – Begleiter gewesen. Unvergessen ist 1676 seine zwielichtige Rolle in jenem Hexenfall, ohne den der aktuelle Fall kaum denkbar wäre: Burchards Rolle im Hexenprozess 1668 gegen Teke Busch. Matthias Burchard war es, der damals Teke als Beichtvater zugeteilt worden war, um sie auszuhorchen. Sie beichtete ihm offenbar, einen Schadenzauber angewendet zu haben, der insofern gelang, als die Adlige Frau Rantzau, der dieser Anschlag galt, sich – infolgedessen? – ein Bein brach. Burchard plauderte die Beichte aus. Das Kieler Gericht wurde indes seitens eines akademischen Rechtsgutachtens ermahnt, die – per Beichtgeheimnis versiegelten – Aussagen juristisch nicht zu verwenden. Vergeblich war das Bemühen des Geistlichen indes keineswegs. Das Verfahren wurde neu aufgerollt, die unverwertbaren Selbstaussagen wurden in Vorwürfe eines Dritten umgemünzt – und gegen sie verwendet. Teke wurde verurteilt und verbrannt. Und sie war verschwägert mit den 1676 unter Verdacht stehenden Personen, Hinrich Busch und seiner Tochter Trinke Preetzen.
Die Überführung der Hexe Teke war 1668 damals nicht ganz sauber abgegangen. Doch Burchards geistliche Karriere scheint dadurch nicht gelitten zu haben, im Gegenteil: Auf das Jahr 1668 datiert sein Porträtgemälde in der Kapelle Sankt Jürgen (wahrscheinlich im Zweiten Weltkrieg zerstört). „Non ego sed gratia dei in me“ stand daneben – eine demutsvolle Selbst-Glorifizierung als Werkzeug Gottes. Ob sich Burchard als Drachenbezwinger in Nachfolge des Heiligen Georg sah? Ein Jahr später (19.10.1669) stieg Burchard vom Diacon zum Archidiacon auf. Dieses Amt bekleidet er auch 1676. Mit dem Tod des Hauptpastors Friedrich Jessen wird er 1677 dessen Nachfolger. Bedingt durch sein Ableben indes nicht für lange.
Matthias Burchard, geboren 1619, ist ein karrierebewusster Geistlicher, verheiratet mit der ältesten Tochter des vormaligen Kieler Archidiakons. Schon Burchards Vater war Pastor in Kiel. Matthias besuchte das Bordesholmer Gymnasium, die Pflanzschule der regionalen Geisteselite, aus der auch Professoren wie Samuel Rachel hervorgingen. Später unterhält Burchard enge Verbindungen zur Wissenschaft (z.B. Prof. Major, Mag. Trogillus Arnkiel).
Im Himmel sieht Burchard keineswegs nur die Wohnstatt Gottes. Er gilt als erfahrener Astronom, und es wird ihm nicht entgangen sein, dass am 1.6.1676, als der Hexenfall gegen Trinke Preetzen so spürbar ins Stocken gerät, sich eine ringförmige Sonnenfinsternis ereignet. Sie beschäftigt auch die Universität – Prof. Reyher hält über die Sonnenfinsternis eine Vorlesung. Was sie bedeutet, ist ungewiss. Unwahrscheinlich aber, dass sie nichts bedeutet, wiewohl das ins Gebiet der Astrologie fiele. Eine Warnung vor Unfruchtbarkeit? Eine solche Deutung wäre zu dieser Zeit beliebt.
Aber eine solche Warnung würde Burchard schwerlich schrecken. Seine Zeugungskraft ist auch für damalige Verhältnisse beträchtlich. Als Burchards erste Ehefrau 1671 stirbt, hinterlässt sie 14 Kinder. Seine zweite Ehefrau – diesmal eine Tochter des Kieler Medizinprofessors Caspar Marchius – wird 4 weitere Kinder empfangen. Das letzte muss Burchard im letzten Stadium der Schwindsucht gezeugt haben, zwei Monate vor seinem Tod. Es wird am 1.4.1680 geboren.
Burchards Vertretung bei der geistlichen Begleitung der Delinquenten am 30.6.1676 übernehmen die Kieler Geistlichen Gabriel Wedderkopp (Diacon) und Martin Bützer (Klosterpastor). Sie sind mehr als niederrangige Berufskollegen. Burchard hat 1672 seine älteste Tochter seinem designierten Nachfolger Wedderkopp zur Frau gegeben. Seine Jüngste wird er 1678 mit Kosterpastor Martin Bützer vermählen – da ist sie gerade 15 Jahre alt.